Quo vadis, Demokratie?

„Schön, dass Politiker noch Visionen haben. Aber sie dürfen nicht den Eindruck erwecken, von allen guten Geistern verlassen zu sein.“ (Thomas Schmoll, n-tv.de). Die etablierten Parteien in Deutschland haben sich immer gern als Volksparteien sowie damit einhergehend als Volksvertreter bezeichnet. Da der Begriff des Volkes und der Heimat vor allem im deutschen Kontext inzwischen jedoch leider ausschliesslich im negativen Sinne völkisch und nationalistisch besetzt zu sein scheint (den Nationalsozialisten mit ihrem tödlichem Rassenhass und ihrer faschistischen Ausrottungspolitik sei Undank), kann auch jegliche ideologisch störende Ansicht einfach umgedeutet werden. Somit ist ja vielleicht sogar selbst eine von den Regierungsparteien vertretene Politik, die der Auffassung sehr vieler Mitglieder des Volkes entspricht bzw. die von ihnen zumindest stillschweigend geduldet wird, zweifelhaft. Es ist eben nicht immer so intelligent und integer, denen, die man bekämpft, mit denselben populistischen Parolen oder Mitteln die Wähler abjagen zu wollen…

Damit befindet sich die demokratische Spielart der Politik aber in einer klassischen Zwickmühle und hat sich quasi im eigenen Netz des Neusprech aus 1984 (Orwell) verfangen. Jeder sonst so harmlose Kritiker kann gemäss dieser Logik leicht den Eindruck eines mit der rechten Szene sympathisierenden Rassisten erwecken, sofern dies politisch opportun ist. Dieses automatische, diskursrenitente Allroundfeindbild schadet dem demokratischen Prozess jedoch sehr. Es offenbart Zustände, die wir zu Recht in anderen Ländern als demokratiefeindlich und diktatorisch ablehnen. Vollends bizarr wird es dann, wenn zunehmend sogar selbst Menschen mit Migrationshintergrund populistische Sprüche von sich geben (etwa gegen neue Flüchtlinge, Schwule, Juden, Frauen, Muslime oder Christen). Sind die dann etwa Rassisten? Rechte? Pegidaanhänger? Oder sind sie einfach nur verrückt? Oder noch schlimmer: Haben sie vielleicht den Nagel auf den Kopf getroffen? Es ist mir jedenfalls unverständlich, wie es deutschen Ausländerfeinden gelingen sollte, ausgerechnet migrantische Gehirne zu waschen, damit sie populistische Parolen von sich geben und sich quasi selbst abschaffen wollen (der parteilose deutschkongolesische Bundestagskandidat und Afd-Sympathisant Serge Menga aus Essen ist ein gutes Beispiel). Zumindest in Hinsicht auf das rechte Spektrum gibt es wenigstens nicht auch dort noch soviele traumatisierte, psychisch kranke Einzeltäter, die volltrunken oder sonstwie zugedröhnt mit Waffen durch die Gegend laufen. Wobei – immer mehr gemeingefährliche Irre auf den Straßen, tangiert das nicht èigentlich die Innere Sicherheit?

Die in der Türkei zu beobachtende Säuberung des Staates hingegen, durch die sämtliche unpassenden Elemente der Gesellschaft ausgemerzt werden, ist ein denkbar schlechtes Beispiel dafür, wie man mit Opposition umgehen sollte. Es sollte uns wirklich abschrecken. Doch auch deren Herrscher ist ein Meister des Populismus. Erdogan hatte die Türkeistämmigen in Deutschland („seine Bürger“) jüngst aufgefordert, ihre Stimmen nicht an SPD, Grüne oder Union zu geben, denn diese Parteien seien „Feinde der Türkei“, und Deutschland sei ohnehin „Nazideutschland“, mit entsprechenden Verunglimpfungen von Kanzlerin Merkel in türkischen Medien („Frau Hitler“ etwa in der Güne ).

Wollen wir solche Verfolgung wie nach dem Putschversuch hierzulande tatsächlich ebenfalls, um endlich die eigenen Querulanten endgültig in ihre Schranken zu verweisen? Hatten wir doch alles schon mal, unter Hitler und unter Honecker. Tja, Appeasement klappte schon beim „Führer“ nicht. Unsere eigene Vergangenheit als Nation hat deutlich gemacht, wohin das auf Schleichwegen führen kann. Wäre eine Wiederholung nach unseren geltenden politischen Maßstäben tatsächlich besser, weil sie diesmal durch „die Guten“, durch die „richtigen“ Leute gewollt oder durchgeführt würde? Und glaubt nebenbei gefragt etwa wirklich jemand, das man die Stimmen der echten rechten Szene gewaltlos zum Verstummen bringen könnte? Das ist ja lachhaft.

Man kann es aber auch so wie “Taff”-Moderator Thore Schölemann probieren: Der verabschiedete sich am Nachmittag des 12.9.17 in der Sendung von seinen Zuschauern mit dem Nachsatz: „Leute, geht wählen – nur nicht die AfD.“ Eine Äußerung, für die sich der ProSieben-StarModerator jetzt eine Rüge des Senders sowie eine Ermittlung durch die Medienaufsichtsbehörde einhandelte. Und auch Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) hat unzufriedenen Bürgern geraten, lieber ganz auf eine Stimmabgabe bei der Bundestagswahl zu verzichten als AfD zu wählen. Das bewegt sich alles zwar noch im Rahmen der freien Meinungsäußerung, aber unter diesen Umständen ist es wohl eher Betreutes Denken – und ganz schlechter Stil von einem Politiker…

Heute tritt außerdem anscheinend sogar ausgerechnet innerhalb der Grünen Bewegung (interner Paradegegner: Tübingens OB Boris Palmer) oder bei Mitbürgern ausländischer Herkunft (z. B. Erdoganfans) selbst ein bedenkliches Verhalten zutage – wer anders denkt, wird zur Zielscheibe. Dabei lassen wir einmal ausser Acht, das auch die linke Politik in der Vergangenheit mit Begriffen, in denen es von der kontroversen Vokabel „Volk“ wimmelte, nur so um sich warf (Stichwort DDR). Heutzutage verbreitet auch der Schwarze Block der linken Antifa im Namen des Volkes ebenfalls Terror und Hassreden. Dies zeigt sich nicht nur alljährlich am 1. Mai, sondern auch gegenüber dem politischen Gegner. Zum G20-Gipfel in Hamburg war das nicht anders, das war absehbar. Das angebliche „faschistische Schweinesystem“ wird durch diese populistischen Aktionen also genauso offen verachtet und bekämpft wie von den Rechten oder durch die fanatischen Muslime.

Wer „Deutschland verrecke“ auf seine Fahnen schreibt (Antifa) beziehungsweise mit „Deutschland, Du mieses Stück Scheisse“-Rufern marschiert (Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth) oder sich allen Ernstes wünscht, die Deutschen mögen doch endlich aussterben, da sie sowieso alle Nazis sind (Gregor Gysi), der ist ein Verfechter der Demokratie? Ein lupenreiner Demokrat, echt jetzt? Nun ja, was soll man erwarten, wenn beispielsweise Sigmar Gabriel auf Ausschreitungen in Wort und Geste antwortet, das diese Leute „Pack seien und weggesperrt gehören“ sowie selbst den Mittelfinger in die Kameras hält? Auch ihm stände es frei, die Pöbler einfach anzuzeigen. Stattdessen pöbelt er zurück. Anzeigen müsste man auch die Leute, die bei Versammlungen selbstgebastelte Galgen trugen, an denen Schilder mit den Namen von Politikern hingen, dies mal nebenbei erwähnt – von „Volksgerichtshöfen“ sollten wir aber doch die Nase voll haben, oder? Doch auch Einspruch gegen Populismus von Links ist kaum empfehlenswert, denn dann gilt man schnell als – Populist.

Aber was ist denn das für ein Demokratieverständnis, welches wir unseren neuen Mitbürgern als Integrationsziel vorleben? Quo vadis also jetzt, Demokratie? Ach übrigens: Sachbeschädigungen und Hetze gegenüber dem politischen Gegner (Bedrohung, Verunglimpfung, Zerstörung von Wahlplakaten und Wahlbüros, Wahlmanipulation oder das Abfackeln von PKWs sowie, man glaubt es kaum, Aufforderungen an SPD-Bezirksvorsitzende Kerstin Hansen durch Parteikollegen, sich doch gefälligst scheiden zu lassen, weil der Ehepartner AFD-Mitglied ist) gibt es auch in der einzig wahren Musterdemokratie der Welt (…). Komisch, die Parole „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ galt doch mal zu Recht als absolutes No Go – was ist denn aus dieser Ablehnung geworden…? Vergessen? Traurig.

Aber was ist populistische Politik denn nun tatsächlich? Diese gibt es natürlich auf der ganzen Welt, innerhalb aller Kulturen, Religionen, Nationen. Sie ist lediglich die verwirrende Essenz eines inflationär eingesetzten ideologischen Kampfbegriffes (im heutigen Sprachgebrauch ist damit fast ausschliesslich Rechtspopulismus gemeint). Populismus beschreibt nämlich lediglich die Fähigkeit von Personen oder Gruppen, dem Volk (Populus) Inhalte zu vermitteln, die es nachvollziehen kann und will (oder: Den Leuten zu sagen, was sie hören wollen, das konnten schon die alten Römer). Vox populi bedeutet an sich Volkes Stimme. Die Parole „Wir sind das Volk” kann selbstverständlich auch von weniger wünschenswerter Seite missbraucht werden. Einst riefen die oppositionellen Leute in der ehemaligen DDR „Wir sind das Volk“, das waren die Guten, heute rufen es Rechte und besorgte Bürger, und morgen vielleicht sogar Muslime mit ihren Parteien BIG und ADD? Was dann? Sind die dann ebenfalls Populisten?

Doch heißt dies automatisch, das man auf das Volk nicht zu hören braucht? Auch mittels scheinbar einfacher Lösungen wird von allen Parteien des politischen Spektrums versucht, die Gunst der Bevölkerung zu gewinnen. Wer erinnert sich beispielsweise nicht an Norbert Blüms „Die Rente ist sicher“? Und war es nicht Herr Merz, der tönte, das die nächste Steuererklärung auf einen Bierdeckel passen würde? Oder was war mit Kanzlerin Merkels „Wir schaffen das“? Während der gesamten menschlichen Geschichte war dies so und hat unzählige Opfer gefordert, personelle wie ideelle. Freiheit meint aber immer auch die Freiheit des nicht extremistischen Andersdenkenden. Muss man das wirklich bedauern? Es geht auch um Freiheit von Unterdrückung, von Angst, vom Tod durch unzureichende Versorgung, um Schutz vor Verfolgung, aber eben auch um „von oben“ aufgezwungene Lebensbedingungen. Und auch um den Schutz vor korrupten selbsternannten Eliten.

Womit ich bei der Freiheit vor Instrumentalisierung zum Zwecke der Propaganda und Manipulation wäre. Das Zeitalter der Selbstbestimmung scheint beendet zu sein, der Mensch ist nun jederzeit und allerorten beeinflussbar. „Wer die Welt nicht mehr begreift, wird manipulierbar.“ (TVJournalist Jean Pütz). Andere Menschen und Gesellschaften leiden darunter. Wieso werden kriegerische Auseinandersetzungen eigentlich auch mit wirtschaftlichen Mitteln geführt, quasi unter Laurins Tarnmantel? Ist ein Heiliges Buch authentischer als das Andere? Wie kann es denn überhaupt sein, das wir seit zwanzig Jahren den gesamtgesellschaftlichen Kampf gegen Rechts führen und die Rassisten nicht nur immer noch da sind, sondern im Gegenteil immer mehr und politisch stärker werden? Das die Reaktionäre diesmal sogar in den Bundestag kamen, und das sogar zweistellig, ist nicht zufällig ein Merkmal des krachenden Versagens aller antirassistischen Kräfte? „Dem (rechten) Haß keine Chance!“ ist anscheinend leider nur eine hohle Phrase zu Selbstberuhigung, ohne tatsächlich greifbare Ergebnisse. Und an der bisherigen Politik der etablierten Parteien liegt es vielleicht nicht auch ein bisschen? Ewige Fragen…

Zum Schluß noch ein passendes Zitat von Jakob Augstein aus seiner neuen Kolumne vom 19.9.17 auf Spiegel Online: „Angela Merkel verdient die Abwahl. Sie trägt die Verantwortung dafür, dass Nazis in den Bundestag einziehen werden.“ Wissen ist Macht. Der Mensch sollte also zumindest in Grundzügen wissen, wovon er als Teilnehmer eines demokratischen Prozesses innerhalb einer offenen Gesellschaft spricht… Wenn die Regierungen auf den (angeblich) mündigen Bürger hören, ist alles gut. Falls nicht, siehe oben…

Und jetzt bitte alle demokratische Kräfte das politisch-korrekte Mantra wiederholen – und bitte, bitte nicht vergessen: Nur Weisse sind Rassisten, und nur Deutsche sind Nazis! Verstanden? Also, bitte verinnerlichen: Nur Weisse sind Rassisten, nur Deutsche sind Nazis! Nur Weisse sind Rassisten, nur Deutsche sind  Nazis! Nur Weisse sind Rassisten, nur Deutsche sind Nazis! Nur Weisse sind Rassisten, nur Deutsche sind Nazis! Nur Weisse sind Rassisten, nur Deutsche sind Nazis! Nur Weisse sind Rassisten, nur Deutsche sind Nazis……

Dietmar Doering

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