Gelingendes Zusammenleben: Einige biblische Einsichten

geschrieben von Jan Sickinger

Deutschland ist kein Einwanderungsland“. Diese Aussage, die noch in den 90er Jahren zumindest noch von Teilen der politischen Klasse so oder sinngemäß für wahr gehalten und vertreten wurde, ist mittlerweile unwahrer denn je.

Mittlerweile haben mehr als 25 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Man kann dies kritisch sehen oder sich darüber freuen, jedoch bleibt diese Tatsache unabhängig von der persönlichen Sichtweise bestehen. Angesichts der immer diverser werdenden Bevölkerung stellt sich die Frage, wie Biodeutsche und Neudeutsche, Menschen mit dunkler und heller Haut, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, Autochthone und Allochthone, schon länger hier Lebende und noch nicht so lange hier Lebende ihr Zusammenleben jetzt und in Zukunft gestalten können. Natürlich ist jede Antwort auf diese schwierige und komplexe Frage unweigerlich vom persönlichen Hintergrund gefärbt.

Ich möchte versuchen, ein paar mögliche Antworten auf diese Frage als Christ zu geben und aufzuzeigen, dass die Bibel trotz ihres Alters ein paar wertvolle Gedankenanstöße zu diesem Thema liefern kann. Zunächst möchte ich erwähnen, dass laut dem Schöpfungsbericht in Genesis 1 Gott den Menschen zu seinem Bilde geschaffen hat. Der theologische Begriff hierfür lautet „imago dei“ und kann so verstanden werden, dass jeder Mensch aufgrund seiner Gottesebenbildlichkeit unabhängig von seiner Herkunft, Leistung, Hautfarbe etc. eine unveräußerliche Würde hat. Nun ist Deutschland ein säkularer Staat, und maßgeblich für die staatliche Gesetzgebung ist nicht die Bibel, sondern das Grundgesetz. Jedoch haben sich die Väter des Grundgesetzes nach den schweren ethischen Verirrungen des Nationalsozialismus wohl auch an dieses biblische Prinzip erinnern, als sie Artikel 1 des Grundgesetzes formulierten: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Folgt man dem biblischen Prinzip oder dem daraus abgeleiteten Prinzip des Grundgesetzes, dann ist jeder Diskriminierung und jedem Rassismus der Boden entzogen. Niemand, der sich Christ nennt oder meint, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, kann gleichzeitig ausländerfeindlich oder gar rassistisch sein. Zur aktuellen Diskussion bezogen auf die Vorkommnisse in den USA muss ich sagen, ich persönlich mit dem Slogan „Black Lives Matter“ nichts anfangen kann. Gibt es schwarzes, weißes oder gelbes Leben? Das Konzept von den drei Großrassen (Europid, Mongolid, Negrid) aus der Mottenkiste des 19. Jahrhunderts wurde durch die moderne Genetik überholt. Es gibt keine Menschenrassen, lediglich eine Bandbreite von phänotypischen Merkmalen bei Menschen, und die Hautfarbe ist nur eines von vielen Merkmalen, die innerhalb der menschlichen Population variieren. Abgesehen davon, dass Rassismus unethisch ist, ist er also auch unwissenschaftlich und zudem unlogisch, weil sich die Frage stellt, warum Rassisten ausgerechnet die Hautfarbe als primäres Abgrenzungskriterium heranziehen und nicht den Ohrenabstand oder die Schuhgröße. Ein weiteres Prinzip, welches aus der Bibel ableitbar ist, ist die Liebe und Offenheit dem Fremden gegenüber. Auch unter dem Volk Israel des Alten Testamentes lebten Fremde. Die Hebräische Sprache unterscheidet interessanterweise zwischen Fremden, die dauerhaft unter dem Volk lebten (vielleicht heute vergleichbar mit Menschen mit befristeter und unbefristeter Aufenthaltserlaubnis) und kurzzeitigen Besuchern. Für die Ersteren galten besondere Schutzbestimmungen, sie durften am religiösen Leben teilnehmen und hatten unter bestimmten Umständen die Möglichkeit, selbst Israeliten zu werden. Jeder Israelit war aufgefordert, den dauerhaft im Land lebenden Fremden wie sich selbst zu lieben, und wurde davor gewarnt, ihn zu unterdrücken. Zwar ist Deutschland nicht das alte Israel, jedoch würde es auch unserer Gesellschaft guttun, diese Prinzipien in unsere heutige Zeit zu übertragen. Wir sollten grundsätzlich offen dafür sein, dass Menschen aus anderen Ländern zu uns kommen und dauerhaft bei uns bleiben und ihnen ihr Leben nicht angesichts schon bestehender Schwierigkeiten (Sprache, Kultur, Trennung von der Familie etc.) noch schwerer machen. An die permanent unter dem Volk Israel lebenden Fremden wurden allerdings auch Erwartungen gestellt. Die grundlegenden Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens galten ohne Abstriche auch für sie. Bezogen auf die heutige Situation muss man leider feststellen, dass es Migrantengruppen gibt, unter denen die Kriminalitätsrate um ein Vielfaches höher ist als beim Durchschnitt der Bevölkerung und die in ihren eigenen Parallelgesellschaften ohne Respekt vor Recht und Gesetz leben. Hierbei ist es besonders bitter, dass einige von ihnen einmal als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind und die freundliche Aufnahme mit Undank quittieren. Von 25 festgenommenen Randalierern in Stuttgart hatten allein neun Flüchtlingsstatus. Es ist nicht rassistisch oder ausländerfeindlich, diese Problematik offen anzusprechen. Verschweigt man solche Tatsachen, überlässt man sie damit dem rechten Rand, der sie dann für seine eigenen Zwecke missbrauchen wird. Für den gesellschaftlichen Frieden ist es unabdingbar, unsere Werte und Gesetze von vornherein auch von Menschen aus anderen Ländern und Kulturkreisen einzufordern. Wer nicht bereit ist, sich an die hier herrschenden Regeln zu halten, weil sie vielleicht seinen eigenen kulturellen Prägungen widersprechen, sollte gezwungen werden, unser Land ohne die Möglichkeit auf Rückkehr wieder zu verlassen. Niemand muss die Kultur seines Herkunftslandes aufgeben, und ob man mit bunter Kleidung aus Afrika oder dem klassischen Dreiteiler herumläuft soll jedem selbst überlassen sein. Allerdings ist es erwartbar, dass Menschen, die neu nach Deutschland kommen, die hier seit langem vorherrschenden kulturellen und gesellschaftlichen Werte der Mehrheit respektieren und sich entsprechend verhalten. Aktive Integration darf von der Gesellschaft nicht erschwert und muss von Zuwandernden erwartet werden. Basierend auf meinen christlichen Überzeugungen schwebt mir eine Gesellschaft vor, die offen ist für Menschen aus anderen Ländern. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in denen Menschen unabhängig von Herkunft und Hautfarbe die Chance haben, sich zu entfalten, die aber auch stark genug ist, Recht und Gesetz einzufordern und durchzusetzen.

Ich persönlich versuche, meinen Beitrag hierzu zu leisten, indem ich alle Menschen gemäß der ihnen verliehenen Würde behandele. Ich freue mich zudem, wenn ich sehe, wie sich Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, denen ich bei ein paar Schritten auf ihrem Weg geholfen habe, in unserer Gesellschaft etablieren

Der Einfluss der Religion auf die westafrikanische Kultur

Mittlerweile ist es auch auf dem afrikanischen Kontinent des 21. Jahrhunderts zur Normalität geworden, ohne Trauschein schwanger zu werden.

Für den durchschnittlichen afrikanischen Bürger ist diese Lockerheit jedoch ein Tabu. Dem liegt die Tatsache zugrunde,  das viele Menschen aus Afrika  sehr streng religiös aufgewachsen sind und nach den Dogmen der Bibel  leben (müssen). Von den Erfordernissen der ursprünglichen Traditionen der verschiedenen Ethnien einmal ganz abgesehen. Darunter fällt auch, dass man als afrikanische Frau standesgemäß heiratet und  dann in der Regel Mutter wird. Frauen, die jedoch unehelich schwanger geworden sind,  haben es nicht leicht.  Was passiert, wenn man die Regel bricht?

In den meisten Fällen ist es so, dass  man als Mitglied einer Gemeinde  als Konsequenz daraus aus der jeweiligen afrikanischen Kirchengemeinde ausgeschlossen wird  – sozusagen eine lokale „Exkommunikation light“.  Hat die „Sünderin“ Glück und ihre Gemeinde einen guten Tag, muß sie während der  Gottesdienste vielleicht nur  für eine Weile in der hintersten Reihe sitzen. Gehört eine Afrikanerin nicht einmal zu einer Gemeinde,  wird sie von ihrer Community verspottet und man spricht schlecht über sie. Frauen, die hier aufgewachsen oder geboren sind, sind  sehr oft  mehr und anderen Problemen ausgesetzt als deutsche  Frauen, unter anderem auch wegen den oben genannten religiösen  Faktoren. Die  Schwierigkeit, hierzulande gleichzeitig der ursprünglichen heimatlichen sowie der deutschen Kultur gerecht werden zu müssen, ist für sich genommen schon keine leichte Aufgabe.  In der eigenen Community  mit der Ausgrenzung nach einem „Sündenfall“ zurecht zu kommen, ist noch eine ganz andere Sache. Hierbei geht es beileibe nicht nur um üble Nachrede, körperliche Gewalt als Bestrafung oder um Isolation – im Extremfall kann es sogar bedeuten, dass sich die betroffene Person das Leben nimmt.

Deshalb ist es wichtig,  dass diese Frau in ihrer ohnehin schweren Lage unterstützt wird. Wer nimmt sich das Recht, so etwas zu beurteilen?  Maßen wir uns an,  uns auf eine Stufe mit Gott zu stellen? Sagt nicht jedes Glaubenssystem, das „der Herr“ auf seine Art immer bei uns, in uns und um uns herum ist? Und wenn er sich nicht selbst beim jeweiligen „Sünder“ meldet und ihn „persönlich“ ermahnt oder bestraft – wer „zum Teufel“ sind denn dann die menschlichen Machthaber der Religionen, das sie den Gläubigen ihre eigenen menschlich-persönlichen Moralvorstellungen und Normen aufzwingen anstatt nur das zu sein, was sie laut göttlichem Willen sein sollen: Lediglich die Boten zwischen Gott und dessen Geschöpfen?   Jeder Mensch macht Fehler, niemand von uns ist unfehlbar. Als Angehörige der afrikanischen Minderheit in Deutschland  ist es für uns doppelt wichtig, das wir füreinander da sind. Wir sollten uns unterstützen anstatt uns gegenseitig zu bekämpfen und mit religiös verbrämten Fanatismus ins Unglück zu stürzen – wohlmöglich noch mit dem Spruch „Gott will es!“ auf den Lippen…

Ich fragte zu der Thematik „ungewollte Schwangerschaft“ auch eine Bekannte von mir. Ihre Antworten  einer persönlich Betroffenen mögen dem geneigten Leser einen kleinen Eindruck von dem vermitteln, was junge Afrikanerinnen in so einer prekären Situation bewegt …  :

Frage:  Wie alt warst du, als du schwanger geworden bist?
Antwort: 21 Jahre.

F.: Wie hat deine Familie darauf reagiert?
A.:  Ich wurde geschlagen.

F.: Hat dich deine Familie unterstützt?
A.:  Ja, das hat sie.

F.:  Wie hat die afrikanische Community reagiert?
A.: Schlecht über mich gesprochen.

F.:  Hast du trotz deines Kindes einen Beruf erlernt?
A.:  Ja, mit der Unterstützung der Familie habe ich zwei Ausbildungsberufe erlernt.  Einmal als Pharmazeutisch-Technische Assistentin, und im Sommer beende ich dann noch meine Ausbildung zur Krankenschwester.

F.:  Was  wünschst du dir von der afrikanischen Community?
A.:  Das sie einen nicht verpönen, wenn man unehelich schwanger geworden ist, sondern einen unterstützen.

Jede Frau wünscht sich eine stabile Partnerschaft, und auch der Wunsch zu heiraten, ist nichts Ungewöhnliches. Eine Heirat als alleinige Voraussetzung, Kinder zu bekommen, ja sogar, um Kinder bekommen zu dürfen, schreibt aber kein heiliges Buch vor. Solche Traditionen entstammen rein menschlichen Moralvorstellungen  – der Schöpfer hat damit nichts zu tun. Es steht auch jedem weiblichen Menschen als Menschenrecht frei, über sein eigenes Leben und sein Schicksal selbst zu bestimmen. Ich will einfach damit sagen, dass jeder Mensch die Konsequenzen für sein Handeln selbst tragen muss, unabhängig davon, ob diese negativ oder positiv sind.

Entscheidet sich eine Frau ohne Ehe für ein Kind, oder wird sie ungewollt schwanger, ist das innerhalb der afrikanischen Community also (leider nicht nur dort!) schnell ein echtes Problem. Ohne einen festen Partner an ihrer Seite, der zu ihr steht und der sie unterstützt, ist sie auch als Mitglied einer Kirchengemeinde gestraft genug.