Wie lange hält eine Gesellschaft das aus?

Das Jahr 2020 hat viele Hürden mit sich gebracht: Die Lufthansa wurde gerettet, die Autoindustrie gestützt, der Wald für eine Autobahn gerodet, Black Lives Matter, Pandemie, die Wahl des ersten schwarzen US- Verteidigungsministers Lloyd Austin, und vieles mehr.

Für mich selbst hat es für mich in den vergangenen Monaten auch bedeutet, dass ich mich intensiv mit den eigenen Kapazitäten und Momenten auseinandersetzen konnte. Keine einfache und keine schöne Auseinandersetzung, da es mir auch nochmal sehr deutlich gemacht hat, wie das Leben eines Menschen mit begrenzten Aufenthaltsstatus aussieht – kaum Entscheidungsgewalt in seinem Leben zu haben.

Nie im Leben hätte ich geglaubt, dass ich mal in eine Situation geraten könnte, mich gefangen zu fühlen, und, was noch schlimmer ist, tatsächlich nichts dagegen tun zu können. Eine höhere Instanz kann einfach über mein Leben entscheiden und ich habe keine Kontrolle darüber. In dieser Situation stecken wir alle. Alle sitzen im selben Boot.

Ausgangssperre, jeden Tag warten, was die Bundesregierung für mein Leben entscheidet …

Nun spielen hierbei der Pass und die Hautfarbe keine Rolle mehr. Wir alle haben nun Zeit, achtsam mit uns selbst zu sein und mit den mentalen und physischen Folgen umzugehen, die das Jahr 2020 mit sich brachte und weiter bis in Jahr 2021 hinein.

So schwer es uns fallen mag, ein Zurück wird es nicht mehr geben, jedenfalls nicht mehr zu den alten Mustern, nach denen wir vor Covid 19 gelebt haben. Die Pandemie bzw. die Gegenmaßnahmen machen vielen Menschen schwer zu schaffen.  Wir sind soziale Wesen, deshalb sind Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren, die Schließungen von Orten des öffentlichen Zusammenseins und sonstige Verbote, die Hölle auf Erden. Uns fehlt das Miteinander, die Nähe, alles, was uns bisher ausgemacht hat. Schon die Masken tragen behindert das Atmen und verbirgt die Mimik, und die vielen widerstreitenden Expertenmeinungen und Medienmeldungen sowie das Impfchaos verunsichern und verängstigen uns, es bauen sich Spannungen und Stress auf. Doch besonders für Menschen, die noch nie persönlich Zustände, wie nach einem Militärputsch, einem Krieg, oder einer umfassenden Katastrophe erleben mussten, fühlen sich überfordert. Zu allem Überfluss und der Angst vor Ansteckung kommt aber auch der Frust darüber, dass einem die Verantwortung für das eigene Leben aus den Händen genommen wurde.

Alles das, überfällt eine Bevölkerung, die Jahrzehntelang in relativer Ruhe und Sicherheit gelebt, und auch nie etwas anderes gekannt hat. Umso gravierender die Auswirkungen, das plötzlich über einen statt mit einem gesprochen wird, das Fremde folgenschwere Entscheidungen für einen treffen, bei denen man kein Mitspracherecht hat. Zu rasch wird man auch bei berechtigter und konstruktiver Kritik automatisch in die Nähe von Demokratiefeinden gerückt, denn seit „1984“ weiß man: Nicht das System macht Fehler; der Mensch ( Hier: die Nichtpolitiker, und Nichtexperte) macht sie: Und deshalb verwandeln sich respektable Bürger ohne Fehl und Tadel in das, was wir Migranten / Menschen mit dunkler Hautfarbe schon immer sind : In von Fremden unpersönlich verwaltete Außenseiter ohne Mitspracherecht darüber, was mit Ihnen geschieht. So schlimm die Pandemie und Ihre Folgen für unsere gemeinsame Gesellschaft auch sein mögen, vielleicht erwächst aus dem Schlimmen etwas Gutes: Das Verständnis des Weißen Menschen für unsere Lage. Jetzt, wo sie plötzlich selbst bis zum Hals mit drinstecken.

Meiner Ansicht nach gilt für uns ab jetzt eine andere Soziokultur.

Noomi